Soziale Marktwirtschaft

Existiert die soziale Marktwirtschaft noch, oder verbirgt sich hinter dieser der pure Kapitalismus?

Der Kapitalismus unter dem Deckmantel der sozialen Marktwirtschaft ist gefährlich, denn die negativen Seiten des Kapitalismus werden nicht erkannt und somit werden auch keine Gegenmaßnahmen ergriffen.

Untersucht man, ob die soziale Marktwirtschaft in der Realität noch existiert, oder nur mehr scheinbar als Deckmantel des Kapitalismus vorhanden ist, müssen wir uns mit der Entstehung der sozialen Marktwirtschaft und deren Kernpunkten beschäftigen. Im zweiten Weltkrieg haben Wissenschaftler die soziale Marktwirtschaft entwickelt. Nach dem zweiten Weltkrieg zweifelten viele am Kapitalismus als auch am Sozialismus bzw. der Planwirtschaft, da beide Wirtschaftssysteme große Nachteile in sich bergen. Unter Leitung von Ludwig Erhart wurde die soziale Marktwirtschaft im Jahre 1945 in die Praxis umgesetzt.

Unter der sozialen Marktwirtschaft sollte eine staatlich geordnete Marktwirtschaft mit sozialem Ausgleich geschaffen werden.

Steigende Gewinne

Die wesentlichen Kernpunkte der sozialen Marktwirtschaft sind:

  • freier Wettbewerb
  • starker Staat
  • soziale Gerechtigkeit und sozialer Ausgleich
  • Vermeidung des Zusammenballens von wirtschaftlicher Macht

Diese Kernpunkte sind für die soziale Marktwirtschaft gesamtheitlich unabdingbar, denn ohne diese Kernpunkte funktioniert sie nicht.

Einzelne Kernpunkte sind nicht mehr bzw. nicht im vollen Umfang existent, und somit hat die soziale Marktwirtschaft nicht mehr die volle Wirkung und dient somit dem Kapitalismus als Deckmantel.

Die Ursachen für den Verlust von Kernpunkten der sozialen Marktwirtschaft liegen in der Globalisierung, denn diese ermöglichte den Konzernen immer größer, stärker, mächtiger und mobiler zu werden.

Der freie Wettbewerb leidet unter der Marktmacht der Konzerne, denn die kleineren und mittleren Unternehmen haben es immer schwerer in der globalen Wirtschaftswelt mit den großen Konzernen mitzuhalten, denn der bürokratische Aufwand ist im Verhältnis zu ihrem Geschäftsumfang überdurchschnittlich. Konzerne können sich Verfahren bezüglich der Anwendung von Kollektivverträgen, Steuergesetzen, Umgehungen von Steuervorschriften leisten, und diese stellen im Verhältnis zu ihrem Geschäftsumfang auch einen geringen Aufwand dar.

Die Stärke des Staates hat im Verhältnis zu den immer stärker werdenden Konzernen abgenommen und die Staaten haben auch durch die Globalisierung an Stärke und Einflussmöglichkeit verloren. Konzerne drohen mit Abwanderung und dem Verlust von Arbeitsplätzen.

Die soziale Gerechtigkeit existiert derzeit noch in einem großen Umfang, denn unser Sozialstaat ist gut ausgeprägt und unser Gesundheitssystem ist hervorragend. Manche behaupten sogar, dass der Sozialstaat zu gut funktioniert. Somit besteht zwar die soziale Gerechtigkeit, jedoch wie steht es mit dem sozialen Ausgleich? Hier schaut es nicht mehr so gut aus. Sozialer Ausgleich bedeutet, einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen sozialen Schichten.

Die obersten sozialen Schichten entziehen sich diesem sozialen Ausgleich immer mehr. Insbesondere erfolgt dies durch Steuervermeidungsmodelle und Verlagerung der Gewinne in Niedrigsteuerländer. Somit erfolgt der soziale Ausgleich nicht mehr horizontal zwischen den unterschiedlichen sozialen Schichten, sondern nur mehr temporär. Was bedeutet temporär? Der soziale Ausgleich erfolgt zum Teil durch Finanzierung der Sozialleistungen durch Neuverschuldung. Die Staatsschulden sind jedoch unsere Schulden und somit erfolgt kein sozialer Ausgleich zwischen den unterschiedlichen sozialen Schichten, sondern nur die Finanzierung der Sozialleistungen zu Lasten der nächsten Generation, jedoch der selben sozialen Schicht. Der soziale Ausgleich existiert daher nicht mehr oder nicht mehr im vollen Umfang. Es wird jedoch der Eindruck vermittelt, als würde der soziale Ausgleich noch immer funktionieren.

Die Vermeidung des Zusammenballens von wirtschaftlicher Macht sollte durch Kartellgesetze vermieden werden. Kartellgesetze können jedoch nur bei Fusionen oder sonstigen Unternehmenszusammenschlüssen wirken, jedoch nicht bei einem organischen Wachstum. Des Weiteren zeigt sich auch immer wieder, dass im Zuge von Unternehmenspleiten faule Kompromisse im Sinne des Kartellrechts eingegangen werden, um Übernahmen und Rettungen von Arbeitsplätzen zu ermöglichen.

Wesentliche Kernpunkte der sozialen Marktwirtschaft sind verloren gegangen und somit funktioniert die soziale Marktwirtschaft nicht mehr, sondern wir leben in einer gefährlichen scheinbaren sozialen Marktwirtschaft, die uns im Glauben lässt, die Welt ist in Ordnung und es besteht kein Handlungsbedarf.

Die scheinbare soziale Marktwirtschaft gibt dem Kapitalismus seinen Deckmantel, unter dem er seine Blüten treiben kann. Im Kapitalismus regiert die schrecklichste Eigenschaft des Menschen – die Gier – und diese ist unbarmherzig und treibt ihr Spiel bis zum Untergang. In der Geschichte können wir verfolgen, dass die Verteilung des Vermögens von den sozial unteren Schichten immer friedlich erfolgte. Die Verteilung von den oberen sozialen Schichten ist jedoch noch nie friedlich von Statten gegangen. Die Herrschenden trieben es immer so lange, bis die unteren sozialen Schichten sich auf Grund ihrer Notlage zur Wehr setzen mussten. Dies erfolgte meist in Form von Bürger- bzw. Bauernaufständen.

Arm und Reich

Der soziale Ausgleich funktioniert derzeit nicht mehr und wird nur durch ständiges Aufstocken von Schulden vorgetäuscht und die Probleme nur prolongiert. Die Verschuldung kann jedoch nicht ins Uferlose gesteigert werden. Schulden bedürfen immer des Vertrauens. Wie lange es dieses Vertrauen noch geben wird, ist fraglich. Es zeigt sich an den Eurokrisenländern, wie schnell das Vertrauen schwinden kann.

Wenn das Vertrauen verschwindet und somit eine weitere Verschuldung nicht mehr möglich sein wird, wird der nicht erfolgte soziale Ausgleich zwischen den unterschiedlichen sozialen Schichten sichtbar werden und noch verstärkt. Am Beispiel Griechenland kann man gut aufzeigen, was dann passieren wird. Keiner denkt mehr an einen sozialen Ausgleich, sondern die soziale Ungerechtigkeit zeigt dann ihr wahres Gesicht. Pensionen und Gehälter werden gekürzt, Massensteuern wie die Umsatzsteuer und Verbrauchssteuern werden erhöht und das Sozial- und Gesundheitssystem wird zu Tode gespart. Die Folgen sind verheerend. Der Konsum bricht ein, die Wirtschaft schrumpft, die Arbeitslosigkeit steigt und die Spirale geht unaufhaltbar bergab. Der Bevölkerung jedoch wird dies als die einzige Möglichkeit unterbreitet, anstatt endlich die Kernpunkte der sozialen Marktwirtschaft wieder einzuführen.

Griechenland hatte noch Glück, denn es wurden Rettungspakete geschnürt und Rettungsschirme geschaffen. Wenn Mitteleuropa einmal soweit ist, wird es keine Rettungspakete oder Rettungsschirme mehr geben, sondern die Schuldenblase wird platzen, und es wird wesentlich heftiger, als dies bei den Eurokrisenländern der Fall war.

Die soziale Marktwirtschaft existiert schon seit längerem nicht mehr, sondern der Kapitalismus regiert unter dem Deckmantel dieser. Dies ist trügerisch, denn die Auswirkungen des Kapitalismus sind momentan nicht zu spüren, da sie prolongiert werden und keiner eine Notwendigkeit sieht, gegenzusteuern.

Ein Wirtschaftssystem kann nur auf Dauer bestehen, wenn es diesem gelingt, die zwei menschlichen Eigenschaften wie erstens die Gier und zweitens die Bequemlichkeit zu beherrschen.

Die Planwirtschaft scheitert an der Bequemlichkeit, da es keinen kollektiven Ehrgeiz gibt und der Kapitalismus scheitert an der Gier.

Durch die ständige Verschuldung konnte die Fehlentwicklung damit lange verborgen bleiben.

Die soziale Marktwirtschaft ist das einzige Wirtschaftssystem, das auf Dauer funktionieren kann, jedoch muss mit Sorgsamkeit geachtet werden, dass die Kernpunkte strikt eingehalten und nicht verschleiert werden.

Es muss Schluss sein, mit der irreführenden, scheinbaren sozialen Marktwirtschaft und wir müssen die obigen Kernpunkte dieser wieder einführen:

Stärke des Staats hat nichts mit Nationalismus zu tun, sondern nur ein starker Staat kann den großen mächtigen Konzern entgegentreten und für soziale Gerechtigkeit und Ausgleich, sowie der Vermeidung von marktbeherrschenden Stellungen, sorgen.

Wie kann der Staat oder die Staaten ihre Stärke wieder erlangen?

  1. durch klare Ansagen und Entschlossenheit
  2. durch Mut, Gesetze zu schaffen, die die Konzerne zu ihrem Beitrag zum sozialen Ausgleich zwingen
  3. Gesetze, die einen freien und fairen freien Markt zulassen
  4. die marktbeherrschenden Stellungen eindämmen

Man muss kein Anhänger von Donald Trump und schon gar nicht von seiner Wortwahl sein. Man kann von ihm halten, was man will. Er zeigt jedoch auf, was alleine eine seiner Aussagen bei den Konzernen für ein Umdenken bewirken kann. Die Drohung, bei Verlagerung der Produktion nach Mexiko 15% Zölle auf Importe zu belegen, bewegt die Konzerne, ihre Pläne einzufrieren.

Den Konzernen muss klar gemacht werden, wenn sie an unseren Märkten teilnehmen und hier ihre Gewinne erzielen wollen, dann müssen sie nach unseren Regeln agieren und auch hier ihre Gewinne versteuern und somit ihren Beitrag zum sozialen Ausgleich leisten.

Die Konzerne vermeiden durch Steuerfluchtmodelle jährlich Steuerleistungen in Europa von 1 Billion. Auf Österreich umgerechnet bedeutet dies einen Betrag von 25 Mrd. Euro!

Um die Größenordnung zu veranschaulichen:

Die Staatsschulden in Europa betragen ca. 14 Billionen, und die von Österreich ca. 294 Mrd. Euro. Somit könnten die Schulden dadurch in 12-14 Jahren zur Gänze getilgt werden.

Die Ausrede, ein einzelner Staat könnte die Steuerflucht der Konzerne nicht vermeiden, dies könne nur die Staatengemeinschaft, ist unrichtig. Europa verfügt über kein gemeinsames Ertragssteuerrecht, somit könnte nur eine Richtlinie beschlossen werden, welche dann wieder in nationales Recht umgesetzt werden müsste. Einige Staaten wie z.B. Irland, Luxemburg und Malta sind gegen eine solche Umsetzung und würden dies nach Möglichkeit verhindern. Irland verbündet sich sogar mit Apple zum Kampf gegen die Steuervorschreibung in der Höhe von 13 Mrd. Euro als unzulässige Beihilfengewährung!

Diese unzulässige Beihilfengewährung von 13 Mrd. Euro ergibt sich aus dem irischen Steuersatz von 12,5% und den von Apple bezahlten 0,05%. Würde der Steuersatz von Österreich zur Anwendung kommen, würde die Steuernachzahlung 26 Mrd. Euro betragen.

Die Ausrede, die Konzerne würden abwandern und es würden Arbeitsplätze verloren gehen, stimmt ebenfalls nicht, denn die Konzerne setzen ihre Produkte und Dienstleistungen auf unseren Märkten ab. Sie verkaufen ihren Kaffee (Starbucks,…), Burger (McDonalds,…), Handys (Apple,…), Möbel (XXXLutz, Ikea, …), Software (Microsoft) usw. auf unseren Märkten. Daher benötigen sie auch unsere Märkte mehr als wir sie, denn den Kaffee, Burger usw. könnten wir auch anderswo kaufen.

Konzerne als Schattenpersonen

Die Steuervermeidung der Konzerne erfolgt zum größten Teil durch Verlagerung der Gewinne in Niedrigsteuerländer im Zuge von Lizenz- und Zinszahlungen.

Dies könnte jeder einzelne Staat selbstständig in seinem jeweiligen Ertragssteuerrecht umsetzen in der Form, dass eine Betriebsausgabenbeschränkung eingeführt wird, die wie folgt lauten könnte:

„Lizenz- und Zinszahlungen sind nur insoweit als Betriebsausgabe absetzbar, als diese im Empfängerland mit mindestens 25% Steuer nachweislich und endgültig besteuert sind.“

In Malta beträgt die Steuer 35%, bei Ausschüttung werden jedoch 30% erstattet, somit kommt es nur zu einer endgültigen Steuerbelastung von 5%. Dies ist ein Fünftel der 25% (25 / 5), somit wären bei einer dementsprechenden Änderung der Gesetze, die Lizenzzahlungen an den Mutterkonzern nur zu 20% Betriebsausgabe und 80% erhöhen die Steuerbemessungsgrundlage.

Eine solche Maßnahme würde die Konzerne dazu zwingen, ihren Beitrag zum sozialen Ausgleich zu leisten und es würde den Staat stärken, da er durch die Steuermehreinnahmen von 25 Mrd. Euro jährlich wieder einen größeren Handlungsspielraum zum Gestalten hätte.

Der Staat könnte die Mehreinnahmen zu 1/3 zur Senkung der Lohnnebenkosten verwenden, wodurch diese um 6-7% sinken würden und 2/3 zur Senkung der Einkommensteuer, wodurch das Nettoeinkommen um ca. 15% steigen würde.

Durch das Steigen der Nettoeinkommen würde der Konsum ebenfalls stark steigen, ein Wirtschaftswachstum im hohen Ausmaß würde entstehen und 470.000 Arbeitsplätze könnten geschaffen werden. Der Aufwand für Arbeitslosenentgelt würde abnehmen, die Steuereinnahmen steigen und der Staat würde wieder unabhängiger und stärker werden.

Um den fairen und freien Wettbewerb ohne Zusammenballung wirtschaftlicher Macht zu gewährleisten, muss einerseits strikt und mit allen Mitteln und noch zu schaffenden Mitteln geachtet werden, dass sich die großen Marktteilnehmer an alle Gesetze, Verordnungen, Richtlinien und Kollektivverträge halten und nicht von diesen Marktteilnehmern durch Rechtsmittelverfahren die Anwendung jahrelang vermieden wird. Denn eine solche Vorgehensweise würde zu einer Benachteiligung der kleinen und mittleren Unternehmen führen, die sich die Kosten der Verfahren oft nicht leisten können.

Die marktbeherrschende Macht der Konzerne müsste auch durch strenge Anwendung des Kartellrechts und der Verschärfung des Kartellrechts auch

  • bei organischem Wachstum und
  • Ausnutzung von marktbeherrschender Stellung

durch massive und konsequente Bestrafungen mit empfindlichen Strafen eingedämmt werden.

Um den kleinen und mittleren Unternehmen das Bestehen gegen die übermächtigen Konkurrenten zu erleichtern, müssten die verpflichtende Anwendung von Gesetzen viel stärker größenabhängig sein und Ausnahmen für kleine und mittlere Unternehmen vorsehen.

Die soziale Marktwirtschaft ist das einzige Wirtschaftssystem, das auf Dauer funktioniert. Allerdings müssen ihre Kernpunkte eingehalten und auch nachgeschärft werden, denn der Kapitalismus wird immer wieder Angriffe versuchen. Diesen gehört jeweils mit geeigneten Mitteln entgegengetreten. Wenn der Staat stark ist, wird ihm das auch gelingen, jedoch muss auch darauf geachtet werden, dass die Angriffe des Kapitalismus rechtzeitig erkannt werden.

Die soziale Marktwirtschaft wird jedoch immer verlieren, wenn der Staat Stärke verliert und vor mächtigen Marktteilnehmern in die Knie geht.